Albrecht Dürers Holzschnitt Rhinocerus als Logo eines Lissabonner Restaurants? Kein simpler Gag, sondern geistreich fundierter Hinweis auf das Konzept des Lokals Geographia. Denn das später tausendfach abgebildete Nashorn gelangte 1515 nach langer Afrika-Umrundung nach Lissabon, als Geschenk Afonsos de Albuquerque, Vizekönig von Indien, an den portugiesischen König Manuel I.

So illustriert das Abbild dieser vor einem halben Jahrtausend entführten Kreatur die Idee, die Vielfalt der lusitanischen Küche und ihren Dialog mit den Rezepten und Menschen des einstigen Kolonialreichs widerzuspiegeln. Comida che fala português, Essen, das portugiesisch spricht, ist als Motto in die Fensterscheiben eingeritzt. 230 Millionen verwenden diese Weltsprache. Man muß schon gut im Erdkundeunterricht aufgepasst haben oder eine historische Briefmarkensammlung besitzen, um all die Länder und Terrritorien, die im Geographia kulinarisch präsent sind, spontan herunterbeten zu können.

Klar, der Koloss Brasilien ist gleich mehrfach präsent. Picanha-Steak, Maniokpuree und aparte Blutwurstbällchen des Nationalgerichts feijoada, einer Minensklaven-Stärkung aus Reis und schwarzen Bohnen. Moçambiques Beitrag caril de frango com amendoim, ein Hühnercurry mit Erdnußsauce, verrät den typisch indischen Einfluß auf die afrikanischen Ostküstenküche.

Ausgefallener wird’s mit midar-sin. Das Molukken-Rezept für den in Tamarindensaft und Ingwer geschmorten Schweinebauch stammt aus Ost-Timor, das 2002 seine Unabhängigkeit von Indonesien erkämpfte. Die Glücksspieloase Macao, als letzte portugiesische „Kolonie“ erst 1999 an Chine zurückgegeben, steuert Perlflußente und köstliche, perfekt gefüllte dim sum in Soja-Honigsauce bei. Vegetarier können sich auf Palmherzsalat oder knuprige bojés aus Goa stürzen. Die frittierten Kichererbsen-Zwiebel-Geschlinge werden ganz indolusitanisch in grünes Chutney aus coentro, frischgehacktem Korianderkraut, gedipt. Bolo de banana, ein karamellisierter Kuchen von den Kapverden oder eine nicht alltägliche mousse de chocolate runden das Menu ab: Der westafrikanische Inselstatt São Tomé e Príncipe wird unter Gourmets als Produzent des weltbesten Kakaos gehandelt.

Eben diese sorgfältige Produktauswahl und die gelungene kulinarische Umsetzung der intellektuell durchdachten Speisekarte macht den besonderen Reiz des Themenrestaurants Geographia aus. Heben wir das Glas auf das Küchenteam, das Portugiesisch mit den Akzenten vieler Nationen spricht und übrigens auch einen perfekten nordportugiesischen Stockfischauflauf in Brot-Olivenpaste-Kruste zaubert. Zur Wahl steht Portwein, Bier aus Angola, Madeira-Rum – oder eine Variante brasilianischer Caipirinha mit Zimt und Nelken, die an den Gewürzhandel erinnert, der das Portugiesische um den Globus trug.

 

GEOGRAPHIA.

Rua do Conde 1
1200-608 Lisboa. Portugal.
Tel. 00351 213960036
www.restaurantegeographia.pt