„Die echte regionale Küche ist eigentlich die Entsprechung zu guter Lyrik: Bloß keine Dekoration. Da darf nichts zu viel sein. Kein Petersilienblättchen und kein Wort.“ An diese Maxime, mit der Schwabens kulinarisches Schwergewicht Vincent Klink schon vor Jahren den heute japanisch inspirierten Trend zum souveränen Minimalismus auf dem Teller vorwegdachte, hält sich die Küche der Wielandshöhe noch heute. Und nicht nur die: Es ist ausgesprochen erfreulich, nach der romantischen, ja romantischen Auffahrt mit der Zahnradbahn den blendend weißen Bungalow in Degerlocher Panoramalage zu betreten und nicht als erstes mit einem Showroom voller Eigenwerbung konfrontiert zu sein. Dabei hätte Vincent Klink als Fernsehkoch, Künstler, Jazzmusiker und Autor humorvoll fundierter Bestseller („Ein Bauch spaziert durch Paris“/ „Ein Bauch lustwandelt durch Wien“) jedes Recht, sich eitel zu präsentieren. Stattdessen große reduzierte Klassik – monochrome banketje in weiß: weiße Tischdecken, weiße Wände, bei meinem Besuch weiße Päonien und an den Wänden nicht irgendwelche moderne Kunst, mit der Spitzenköche fast schon dogmatisch glauben, intellektuellen Anspruch dokumentieren zu müssen. Sondern einfach Essstilleben in betont schlichten Goldrahmen. Die persönlich gewidmeten Tomi Ungerers hängen diskret im Gang zum powder room.

Einfach edel auch der Auftakt: die hauchzarte Quiche, duftend nach schaumig geschmolzenem Rohmilchkäse, gehört zu den Esserlebnissen, an die ich mich auch noch nach Jahren erinnern werde. Die Forelle aus dem Schwarzwälder Würzbachtal ist als Trikolore angerichtet: ein Streifen mit Fischfond eingekochte Meerettichsahne, das Filet, ein Streifen junge Erbsen – in seiner radikalen Reduktion eine perfekte Trilogie. Zu der die glasweise zu höchst zivilen Preisen angebotenen Württemberger Weißweine vorzüglich passen. Klar, daß der Ziegenfrischkäse aus dem Naturpark Schönbuch mit karamellisierter Gaishirtle-Birne ein signature dish werden mußte. Das Aromen- und Texturspiel mit salziger Filoteigkruste und der an Kastanienhonig erinnernden Frucht ist salopp gesagt eine Wucht.

Süßwasserfisch will mit Delikatesse behandelt werden. Oft sind die schonenden traditionellen Rezepte das Ideale, um den zarten Eigenschmack zu betonen. Das mit knusprigen Panko-Bröseln herausgebackene Wallerfilet mit beurre blanc und nur scheinbar braven, aber höchst geschmacksintensiven Petersilkartoffeln ist ein Genuß, der den Fisch gelungen umschmeichelt. De rigueur das Alblamm, einmal geschmort, einmal rosig gebraten, serviert mit breiten Bohnen – die rahmig aufgeschlagene und krustig gebackene Polenta ein kleines Meisterwerk als Beilage.

Überraschend ausgerechnet die Kutteln. Ich hatte das Gefühl, daß die köstlich intensive Rotweinsuppe, angereichert mit Gewürzen und feingeschnippselter Gemüsebrunoise, das fleischliche Grundprodukt doch ziemlich übertönt – eine Konzession an die Innereien-Skepsis vieler Landsleute, die ich von Vincent Klink nicht erwartet habe? Aber der Mann hat ja noch viele andere Kuttelrezepte auf Lager.

Der Mut zur klassischen Reduktion auch beim Dessert: Schokoladenpudding mit Vanille-Eis, so ein trotzig unkreatives Finale muss man sich im Sternesegment erstmal trauen. Bescheidung auf zwei Geschmäcker, basta: dunkle, intensive Valrhona-Schokolade, selbstgerührtes Gefrorenes mit den schwarzen Pünktchen aus der Bourbon-Schote. Einfach köstlich.

So bleibt der Vordenker qualitätsvoller deutscher Regionalküche ein frankophiler Querdenker mit schwäbischer Identität, der sich die klassische Butter nicht vom Brot nehmen lässt und sich erfrischenderweise dem omnipräsenten Kreativitätsdiktat verweigert. Gerade dadurch hat die Wielandshöhe die unverwechselbare Küchenlinie gefunden, von der so viele Jungköche schwärmen.

Wielandshöhe. Alte Weinsteige 71. 70597 Stuttgart. Tel. 0711 6408848. www.wielandshoehe.de