Regelmäßig wird in der Münchner Lokalpresse irgendein Star- oder Fernsehkoch über den Viktualienmarkt geführt, schnüffelt an Trüffeln, schwärmt von edlen französischen Käsen, läßt sich eine fränkische Regio-Delikatesse wie Bamberger Hörnla-Kartoffeln einpacken und dann steht wieder in der Zeitung, daß unser Markt so schön sei, aber halt leider auch eine Luxusapotheke. Manchmal bedauert der Redakteur dann noch, daß er immer mehr zum Tummelplatz von Touristengruppen wird, die die Standlweiber nur ablichten, anstatt zu kaufen. Saftläden, die Zukunft unseres geliebten Marktes?

Ok. Der Viktualienmarkt spielt in der kulinarischen Top-Liga mit. Rehrücken, Flug-Mango,  Piemont-Trüffel, Wildfang-Steinbutt, Tiefsee-Languste oder Kirschen im Winter – gibts alles.

Trotzdem finde ich es schade (und auch etwas geschäftsschädigend), daß viel zu wenig über die günstigen Einkaufsmöglichkeiten geschrieben wird.

Das geht 6:30 Uhr früh los mit dem Kaffeestandl Karnoll, das ich wegen seiner sozialen Durchmischung schätze. Hier ist man im Herz der Weltstadt mit Herz, trifft native speaker und von fern Zugroaste und erlebt ein München, daß auch für Handwerker ein Herz hat. Mit 85 Cent ist man mit einer heißen Tasse Burckhof Kaffee dabei – die Marktgemälde an der Fassade darf man gratis bestaunen.

Noch billiger kommt weg, wer nach einem sauren Katerfrühstück lechzt. 80 Cent kostet die traditionsreiche Salz- oder Essiggurke in Freisingers Saurer Ecke auf die Hand – da nimmt man sogar den ungewohnt brummigen Service in Kauf.

Bei den Backwaren fehlts noch zur Weltklasse. Wirklich knusprige Baguette, wirklich blättrige Crossants sind im Lande der Brezn selten. Dafür bieten fast alle Marktbäcker verbilligtes Brot vom Vortag an – manchen schmeckt das eh besser als frische feuchte Ware. Löbliches Gegenbeispiel zu unserer Wegwerfgesellschaft: in der Blumenstrasse betreibt die Hofpfisterei einen Laden, wo übriggebliebene Laibe zum Volkspreis abgegeben werden.

Radi, Erbsen, Spinat, alles Eigenbau – wenn ich bei den Gemüsebauern aus dem Münchner Norden einkaufe, die ihre Zelte vor dem Pschorr aufgeschlagen haben, kostet der volle Korb selten mehr als 10 € – ein paar Karotten gibts meist als Gratiszugabe zum Pfiat di. Nur schade, daß einheimisches bayerisches Obst etwa aus Bad Feilnbach so schwer aufzutreiben ist.

Eine Fundgrube sind die Metzger. Sicher, in den winzigen Läden der Metzgerzeile findet man Krone vom Salzwiesenlamm und immer häufiger auch riesige Ochsenkoteletts, die ihren dry aged Preis haben. Aber wo bitte kriege ich sonst all die billigen Schnitte wie Lammbrust, Kalbsschwanz, Entenjung oder Markknochen, aus denen man köstliche Eintöpfe oder Schmorfleisch zubereiten kann? From nose to tail, das bedeutet auch schmackhafte Sparküche.

Kurzum, natürlich gönne ich mir manchmal eine Spezialität, ohne auf den Preis zu schauen – französische Kapaun-Supreme vom Putenhändler Stephani, den Edel-Obatzdn vom Tölzer Kasladn, Knollenziest oder zartrosa Radicchio aus Treviso beim Schott-Standl, der der Traum jedes ambitionierten Gemüsekochs ist. Und wenn ich einen sonnigen Sitzplatz vor dem Poseidon ergattert habe, bescheide ich mich nicht automatisch mit der köstlichen Fischsuppe um 5,20 €. Aber oft radle ich auch auf den Markt, weil man da mit etwas Geschick billig einkaufen kann, ohne vor nervigen Registrierkassen Schlange stehen zu müssen  – auch schon vor Samstag 16 Uhr, wenn manche Standln ihr Gemüse verramschen.

Freilich, Granteln über Viktualienmarktpreise hat Tradition. „Gwamperter Eierdandler“ beschimpft die Volkssängerin Ida Schumacher (richtig, das ist die Brunnernfigur mit dem Trambahnritzenreinigungsbesen) in den 1950ern einen Verkäufer, der es gewagt hatte, die Eierpreise um ein paar Pfennige anzuheben. Bajuwarisches Hörvergnügen pur, auf YouTube jederzeit anzuklicken.