Die Reaktion kommt wie aus der Pistole geschossen. Ob die Kochkurse veranstaltende Contessa aus dem Leopardenpalast oder der Patentanwalt, der in seiner Freizeit für die Accademia Italia della Cucina testet. „Isgrò im Mercato del Capo? Für mich der ultimative pescivendolo Palermos, täglich frischeste Ware, direkt vom Fischer. Unbedingt hingehen! Vor einem Monat hat Giuseppe ein Ristorantino aufgemacht, mitten im Marktgetümmel!“

Gehört, getan. Schon während des Anmarschs streifen wir durch spielfilmreife Kulissen. Palmwipfel umwehen die tuffgelbe Passade des Teatro Massimo. 1897 wurde das kolossale Opernhaus mit Verdis Falstaff eingeweiht, auch ein berühmter Bühnen-Gourmand. Ein paar Hundert Meter und viele Graffitis weiter nördlich flankieren plötzlich zwei barocke Triumphpfeiler den schmalen Eingang zum dichtgedrängten Capo-Markt.

Palermos Suk ist ein Fest für alle Sinne. Der arabisch klingende Singsang der Marktschreier. Stände, die violetten Knoblauch und hellgrüne Schlangenkürbisse verkaufen, blutrotes Tomatenmark und schwarz glänzende Auberginen. Der Duft von Basilikum, Granatapfelsaft, Moro-Orangen und Milzbrötchen. Europas Streetfood-Metropole feiert hier jeden Tag ihre kulinarische Vitalität, ihre mediterranen Aromen. Wenige Schritte weiter zwei Tischchen mitten im Marktgewimmel, fest in der Hand einheimischer Fischliebhaber. Dahinter eine steile Treppe hinauf in den ersten Stock, eine Handvoll Tische. Hochmotivierter Service im weißen Ober-Oberhemd, die ganze Großfamilie ist im Einsatz. Auswahl mündlich a voce, Karte ist auch möglich, aber noch besser entscheidest du dich direkt auf der Gasse, direkt von der Auslage des umschwärmten Fischhändlers. Eigentlich möchte man ja alles probieren, die sizilianische spigola mit den glänzenden Augen (die in Triest rätselhafterweise zum männlichen branzino wird), den skurrilen rotschuppigen Drachenkopf, den silbrigen Degenfisch… Doch zum Anfang optieren wir für frittierte Mini-Rotbarben. Die edlen daumengroßen triglie werden bis auf die winzige Schwanzflosse im ganzen verzehrt. Dann eine Fisch-Caponata, die uns entzückt. Würfel eines thunfischartigen pesce azzurro werden mit Apfelschnitzen, Kapern und Stangensellerie im Honig-Essigsud gegart und kalt serviert. Danach gibt’s Spaghetti mit ausgepulten Krabben und Mandeln und eine weitere Offenbarung: Giuseppe Isgrò hat die großen feuerroten Gamberoni aus Mazara del Vallo parat, für die Kenner Langusten und Hummer stehenlassen. Kurz gegrillt, so daß das Garnelenfleisch noch halbglasig bleibt. Mir fällt ein, daß mir vor Jahren ein Fischer erklärt hat, das Köstlichste dieser Gamberoni stecke im Kopf. Ich sauge einen Krustentierkopf aus. Schmeckt wie eine köstliche Bisque, frisch und cremig nach Meer. Und mundet nur, wie mir die Sizilianer am Nachbartisch eifrig versichern, wenn die Krustentiere freschi freschi freschissimi sind. Ein Erlebnis! Eine frisch abgesäbelte Scheibe vom riesigen Schwertfisch, pesce spada in Weißwein, Pachino-Kirschtomaten und Rosmarinzweiglein gedämpft, schließt dieses neptunische Festmahl ab. Der Amaro Averna geht auf Haus.

ISGRÒ, Via Porta Carini, Palermo, Tel. 0039 091 2743279