ESSIGBRÄTLEIN IN NÜRNBERG

Ein dunkles Butzenscheibenfachwerkhäuschen, ein putzig altfränkischer Name, ein altmodischer Klingelzug. Tür auf für ein Ambiente und einen Kochstil, die ein verblüffendes Kontrastprogramm dazu bilden. Kein Dürerstübchen, sondern ein streng gestalteter Raum. Kein Schäufele, sondern eine Hochküche, die sich traut, im obligatorischen Abend-Menu nicht weniger als fünf vegetarische Gänge unterzubringen.

Doch vorher geht’s los mit einem „Löffelballett“. Schon einmal gegarten Sonnenblumenboden (der mit Artischocken mithalten kann) mit einer gelben Creme aus zerstoßenen Blütenblättern gegessen? Sud von gerösteten Waldpilzen im hauchdünnen Porzellanbecher getrunken?

Die Küche taktet ihre Gemüsegängen ohne mindeste Routine oder ermüdende Wiederholung. Blumenkohl tritt als Duo auf: trüffelgleich gehobelte Scheibchen werden kurz angeröstet, ein knackfestes Stengel-Carpaccio mit winzigen Kirschblüten parfumiert. Bonsai-Luxus auf dem Teller sind rosenkohlgroße Rotkrauttriebe …

Gemüseküche wird hier zur puren Genußküche, was viel mit akribischer Handarbeit, aber auch Fermentieren, Marinieren und Recherche seltener Blüten sowie virtuoser Abstimmung geschmacklicher Nuancen zu tun hat. Da wird selbst etwas so Schlichtes und Altmodisches wie das in gesüßtem Zitronensaft marinierte Herzblatt vom Kopfsalat zur Delikatesse. Bei soviel vegetarischer Brillanz wirkt der makellos marinierte Saibling oder das sous vide gegarte Lammfilet mit Gurken fast schon klassisch brav.

So genußvoll auf höchstem sensorischen und ästhetischem Niveau, so fast frühlingshaft leicht, so voller Erfindungsreichtum und gelungener Kombinatorik habe ich die Früchte der Gärten noch nie erlebt.

Essigbrätlein, Weinmarkt 3, 90403 Nürnberg, Tel. 0911 225131, www.essigbraetlein.de